Literaturnobelpreis 1971: Pablo Neruda

Literaturnobelpreis 1971: Pablo Neruda
Literaturnobelpreis 1971: Pablo Neruda
 
Der Chilene erhielt den Nobelpreis für »eine Poesie, die mit der Wirkung einer Naturkraft Schicksal und Träume eines Kontinents lebendig macht«.
 
 
Pablo Neruda (eigentlich Neftalí Ricardo Reyes Basoalto), * Parral (Chile) 12. 7. 1904, ✝ Santiago de Chile 23. 9. 1973; 1927-36 im diplomatischen Dienst Chiles, 1940-43 Generalkonsul Chiles in Mexiko, 1945 Senator für die Kommunistische Partei, 1949-52 Emigration in die Sowjetunion und nach China, 1952 Rückkehr nach Chile, 1969 kommunistischer Präsidentschaftskandidat, 1971-72 Botschafter Chiles in Paris.
 
 Würdigung der preisgekrönten Leistung
 
Neftalí Ricardo Reyes Basoalto, wie Pablo Nerudas bürgerlicher Name lautet, wuchs als Sohn eines Lokomotivführers und einer Lehrerin, die kurz nach seiner Geburt starb, im Süden Chiles auf. Unter diesen Voraussetzungen war ihm weder eine diplomatische, noch eine politische, noch eine schriftstellerische Karriere in die Wiege gelegt. Die Jugend des späteren Nobelpreisträgers war durch eine enge Naturverbundenheit geprägt und die Natur war es auch, die ihn zu seinen ersten Gedichten inspirierte, die er bereits mit 13 Jahren veröffentlichen konnte.
 
Im Alter von 16 Jahren entschloss sich der junge Mann, zu Ehren des tschechoslowakischen Poeten Jan Neruda den Künstlernamen »Pablo Neruda« anzunehmen. Unter diesem Namen wurde er 1920 Mitarbeiter der Literaturzeitschrift »Selva Austral« (spanisch-chilenisch; Wald des Südens). Ein Jahr später reiste er nach Santiago de Chile und übernahm endgültig das Pseudonym. Als Autor von »La canción de la fiesta« (spanisch; Das Festlied), gewann Neruda den ersten Preis beim Poesie-Wettbewerb der chilenischen Studenten. Der Gedichtband »Crespusculario«, (spanisch; Abenddämmerung) entstand 1923, ein Jahr darauf wurden die »Zwanzig Liebesgedichte und ein Lied der Verzweiflung« publiziert, die zu seinen bekanntesten Werken zählen und in zahlreiche Sprachen übersetzt wurden.
 
Hier finden sich bereits weitere, Nerudas literarische Arbeit bestimmende Themen: Natur und Landschaft, insbesondere die des chilenischen Südens, Liebe, Kultur sowie Rolle und Funktion des Einzelnen in der Gesellschaft. Der Band zeigt die erstaunliche stilistische und konzeptionelle Sicherheit des 20-jährigen Dichters und seine Fähigkeit, seine Stimmungen und Sehnsüchte in den Dienst lyrischer Komposition zu stellen. Neruda liebt die herbstliche Schwermut, aber auch die Facetten des Sonnenuntergangs.
 
 Ein politischer Literat
 
Nach dem Französisch- und Pädagogikstudium an der Universität von Santiago de Chile ging Neruda als Honorarkonsul seines Landes nach Rangun in Myanmar. Auf Java heiratete er 1930 María Antonieta Agenaar Vogelzanz. Drei Jahre später wechselte er ebenfalls als Honorarkonsul nach Buenos Aires und lernte dort den spanischen Schriftsteller Federico García Lorca kennen, mit dem ihn bis zu dessen gewaltsamem Tod im spanischen Bürgerkrieg eine tiefe Freundschaft verband. Zwei Jahre vor Ausbruch des Bürgerkriegs reiste Neruda selbst nach Spanien, wo er ab 1934 wiederum als Konsul tätig war. Im selben Jahr kam in Madrid seine Tochter Malva zur Welt, die bereits im Kindesalter verstarb. Tief beeindruckt vom Kampf für die spanische Republik und schwer getroffen von der Ermordung seines Freundes Garcia Lorca setzte sich Neruda zusammen mit anderen Dichtern in der so genannten »Generation von 1927« für die Republik und gegen den faschistischen General Francisco Franco ein. Literarisch spiegelt sich diese Lebensphase vor allem in seinem Gedichtband »Spanien im Herzen« (1937) wider.
 
Der persönliche politische Einsatz Nerudas zeigte sich erneut, als er 1939 Konsul in Paris wurde und mehreren tausend spanischen Flüchtlingen die Ausreise nach Lateinamerika ermöglichte. Im folgenden Jahr wechselte Neruda noch einmal den Ort seines Wirkens und ging als Generalkonsul nach Mexiko, wo er bis 1943 blieb. Zurück in Chile verfolgte er seine politischen Ambitionen weiter. Er trat der Kommunistischen Partei bei und wurde in den Senat gewählt. Doch Neruda blieb zur Rastlosigkeit verurteilt: Als es drei Jahre später aufgrund der repressiven Haltung der Regierung gegenüber streikenden Minenarbeitern zum Bruch der chilenischen Kommunisten mit der Regierung Gabriel González Videlas kam, musste er für ein Jahr in den Untergrund gehen, ehe ihm die Flucht nach Argentinien gelang. 1949 wurde Neruda in den Weltfriedensrat aufgenommen und bereiste in dieser Funktion erstmals sozialistische Länder.
 
Nerudas Poesie aus dieser Zeit ist eng mit seinen politischen Erfahrungen verwoben. Sein Bestreben war es stets, unmittelbar Zeugnis abzulegen und seine mittlerweile weit über die Grenzen seines Landes bekannte Stimme im Auftrag der Völker Lateinamerikas zu erheben. So erscheint 1950 »Der große Gesang« — ein modernes Epos über seine Heimat, sein Land und seinen Kontinent in Geschichte und Gegenwart. Dieses Versepos wurde ein großer internationaler Erfolg.
 
 Rückkehr aus dem Exil
 
Neruda kehrte 1952 aus dem Exil nach Chile zurück. Auf der politischen Bühne unterstützte er in der Folgezeit seinen Freund, den sozialistischen Präsidentschaftskandidaten Salvador Allende. Das literarische Schaffen dieser Periode fand im Tagebuch seines Exils »Die Trauben und der Wind« sowie in den drei Bänden »Elementare Oden« seinen Ausdruck. 1954, im Erscheinungsjahr dieser beiden Werke, feierte Neruda auch seinen 50. Geburtstag, anlässlich dessen er in seiner Heimat mit Ehrungen geradezu überschüttet wurde.
 
Auch ein eher ungewöhnliches Projekt brachte Neruda großen Erfolg: die Zusammenarbeit mit Miguel Angel Asturias (Nobelpreis 1967) bei dem Titel »Essen in Ungarn«, der 1969 erschien und in fünf Sprachen übersetzt wurde.
 
Im selben Jahr erreichte Neruda den Höhepunkt seiner politischen Karriere: Er wurde von der Kommunistischen Partei als Präsidentschaftskandidat aufgestellt. Aber bereits zu Beginn des folgenden Jahres zog er die Kandidatur zurück, um die Ernennung Allendes zum gemeinsamen Kandidaten der Volksparteien Chiles zu ermöglichen.
 
Zu den wichtigsten Titeln seines Spätwerks zählen »Memorial von Isla Negra« (1963), »Glanz und Tod des Joaquín Murieta« (1967) und »Cien sonetos de amor« (spanisch; Hundert Sonaten der Liebe), die seiner zweiten Frau Matilde Urrutia gewidmet sind. In dieser letzten Schaffensphase wird die optimistische Grundeinstellung Nerudas abgelöst durch eine eher skeptische Sicht. Seine Witwe Urrutia und eine Gruppe von Freunden gaben Nerudas Memoiren posthum unter dem Titel »Ich bekenne, ich habe gelebt« (1973) heraus.
 
 Der Nobelpreis
 
Als Neruda der Nobelpreis verliehen wurde, würdigte das Komitee damit nicht nur den Literaten. Die Ehrung war auch als Unterstützung der unter starkem innen- und außenpolitischem Druck stehenden sozialistischen Regierung Chiles zu verstehen. Dieser Regierung diente Neruda als Botschafter in Paris von 1970 bis 1972. Erst kurz vor dem Putsch durch General Augusto Pinochet kehrte er aus Gesundheitsgründen in seine Heimat zurück, wo er zwei Wochen nach dem gewaltsamen Tod seines Freundes Allende einem Krebsleiden erlag.
 
N. Martos-Pilgrim

Universal-Lexikon. 2012.

Игры ⚽ Нужна курсовая?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Literaturnobelpreis 1990: Octavio Paz —   Der mexikanische Lyriker und Essayist erhielt den Nobelpreis für »seine leidenschaftliche, von sinnlicher Intelligenz und humanistischer Integrität geprägte Dichtung«.    Biografie   Octavio Paz, * Mexiko, 31. 3. 1914, ✝ Mexiko 19.4.1998;… …   Universal-Lexikon

  • Liste der Nobelpreisträger für Literatur — Der Nobelpreis für Literatur wird seit 1901 jährlich vergeben und ist seit 2001 mit rund 10 Millionen Schwedischen Kronen dotiert. Für die Auswahl der Laureaten ist die Schwedische Akademie verantwortlich. Alfred Nobel, der Stifter der fünf… …   Deutsch Wikipedia

  • Liste Schriftsteller (international) — Hier finden Sie eine Liste bekannter Dichter und Schriftsteller – bitte Kurzbeschreibungen, die eine Zeile nicht überschreiten, ergänzen. (Nicht verlinkte Personen bitte nötigenfalls in die Liste der Autoren eintragen.) A Ivar Aasen (1813–1896),… …   Deutsch Wikipedia

  • Ernesto Cardenal — 2009 Ernesto Cardenal Martínez (* 20. Januar 1925 in Granada, Nicaragua) ist ein nicaraguanischer suspendierter katholischer Priester, sozialistischer Politiker und Poet. Er ist einer …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”